Die Sache mit der Selbstliebe

Wenn ich so an mir runterschaue, hat mein Bindegewebe eindeutig schon bessere Tage gesehen. Nach Gewichtsschwankungen von plus/minus 30 Kilo und einer Schwangerschaft, sieht es hier ab der Brust abwärts aus wie bei Hempels unterm Sofa. Dazu kommt noch das Lipödem an Armen und Beinen, was – von jeglicher Gewichtsreduzierung unbeeindruckt – hier sowieso macht was es will. Delle hier, Tigerstreifen da – aber irgendwas ist ja immer.

Das mit der Selbstliebe ist so ein Ding. Ich bin fast 30 und habe lange und schmerzhaft lernen müssen, wie wohltuend und vor allem essentiell wichtig es ist, sich selbst zu lieben.

Mal ab von dem Insta-Brainfuck, der uns täglich mit Oberflächlichkeiten, Fotos von sehr schlanken Körpern, makelloser Haut und den mit diesen Profilen verbundenen tiefgründigen „Du bist genug“-Botschaften überhäuft. Von allen Ecken wird einem aktuell förmlich entgegen geschrien: „Es ist gut so wie du bist“ und „Du bist genug“. Ja, danke – Habe ich verstanden und Plastiktüten kaufe ich auch schon lange nicht mehr.

Aber ich frage mich: Was ist denn mit den Menschen die „Du bist gut so wie du bist.“ hören aber nicht fühlen können?

Selbstliebe ist für manche eben kein Aha-Moment nach dem Aufwachen. Kein erleuchteter Augenblick vor dem Spiegel, in dem Plötzlich alles rosarot wird und bislang verhasste Speckrollen, die Zornesfalte oder das gnadenlos instabile Bindegewebe zu besten Freunden werden. Für einige unter uns bedeutet Selbstliebe einen riesigen Haufen Arbeit. Das klingt jetzt erst einmal ernüchternd, aber wie immer bringt uns jeder kleine Schritt ans Ziel. Und bevor wir hier von Liebe reden, fangen wir vielleicht erst einmal damit an, uns mit den nackten Tatsachen auseinanderzusetzen. Ich persönlich habe mich damals gefragt: Was an mir finde ich schön? Was mag ich weniger und ist das jetzt objektiv betrachtet wirklich so schlimm, wie es mir erscheint?  Dann kam bei mir auf dem Weg in Richtung Selbstliebe erst einmal ne ganze Weile ziemlich wenig – Zunächst ging es nämlich schlicht und ergreifend um Akzeptanz und das harte Aufschlagen auf den Boden der Tatsachen. Erstmal musste ich lernen, mich genauso wie ich bin anzunehmen. Das mit der Liebe kam dann tatsächlich erst später. Aber plötzlich war sie da.

Um eine Beziehung zu meinem Körper herzustellen, hat mir Sport ungemein dabei geholfen, mich besser zu spüren. In der Schwangerschaft wurde mir empfohlen eine tolle Bodylotion zu kaufen und mich regelmäßig einzucremen, um den Bezug zu meinem Körper nicht zu verlieren. Hat für mich super funktioniert und hilft mir noch heute. Ich finde es kann nie schaden, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Ich kenne mich inzwischen, kann mir ja aber trotzdem regelmäßig etwas gutes gut.

So wie in jeder guten Liebesbeziehung gibt es zwischen mir und meinem Körper gelegentlich auch Streit. Regelmäßig habe ich einen Blähbauch, die Pickel sprießen und ich frage mich: Wo zur Hölle kommt eigentlich schon wieder diese Delle her? Aber nun ja, irgendwas ist ja immer. Und so habe ich beschlossen gnädig mit mir zu sein. Denn mein Körper ist nicht nur mein Körper – mein Körper bin ich.

XOXO Johanna